Im einem Video spricht André Sebastiani mit Nikil Mukerji, der derzeit Vorsitzender des GWUP-Wissenschaftsrats, Vorstandsmitglied und designierter Leiter des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken ist.

Grundlage des Gesprächs ist eine ausführliche E-Mail, die Nikil am 26.03.2024 an die Mitgliederliste der GWUP sandte. In dieser E-Mail, die im Folgenden wiedergegeben wird, geht es um den Umgang des Vorstands mit einem Rechtsgutachten zum Verhalten des Wissenschaftsrats. Nikil kritisiert darin die Art und Weise, wie das Gutachten beauftragt wurde ebenso wie die Verwendung des Gutachtens als argumentative Waffe in der Vereinspolitik.

Der Name eines Mitglieds des Wissenschaftsrats wurde im unten stehenden Text durch „XXX“ ersetzt.

Der Name eines Mitglieds des Vorstands wurde im unten stehenden Text durch „YYY“ ersetzt.

von Nikil Mukerji (07.03.2024)

Hallo in die Runde,

ich habe mich seit der MV 23 zu den meisten Diskussionen auf der Mailingliste und im Skeptischen Netzwerk nicht geäußert. Für bestimmte Fragen scheinen mir allerdings Einordnungen und Informationen wichtig, die nur ich liefern kann, da ich neben meiner Mitarbeiterrolle auch Wissenschaftsrats- und Vorstandsmitglied bin. Aus diesen Rollen ergibt sich, dass ich viele Situationen unmittelbar und direkt miterlebe, während Andere auf Berichte angewiesen sind, um sich eine Meinung zu bilden.

Zudem beobachte ich Holms Äußerungen mit zunehmender Sorge. Er hat sich auf der Mitgliederversammlung 2023 zum Vorsitzenden der gesamten GWUP wählen lassen, scheint mir jedoch vor allem die Interessen und Anliegen einer Teilgruppe der Organisation zu vertreten. Er zeigt sich in meiner Wahrnehmung unbeeindruckt davon, dass viele, teils hochverdiente GWUP-Mitglieder andere Interessen und Anliegen vortragen. Das sind Mitglieder, denen wir unsere Organisation verdanken, da sie diese maßgeblich gestaltet und aufgebaut haben.

Holm hat in meiner Wahrnehmung außerdem eine Tendenz, schnell für seinen Flügel Partei zu ergreifen. Deswegen sind Diskussionen in der Sache schwierig. Positionen sind für ihn oft und schnell völlig eindeutig: Die Schuld liegt auf der anderen Seite. Eine umfassendere Reflexion der Umstände und ob die eigene Vorgehensweise angemessen war, lässt sich aus meiner Sicht oft nicht erkennen. Dies zeigt sich exemplarisch auch bei der Darstellung der Abläufe bzgl. des Rechtsgutachtens, wo ich eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Sachlage ebenfalls vermisse. Dazu will ich ein paar Worte sagen. Ich erhebe – trotz der Überlänge, für die ich mich entschuldige – keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich könnte mich irren und bin auch bereit anzuerkennen, falls ich etwas falsch verstanden oder übersehen habe. Dennoch hoffe ich, dass ich ein bisschen mehr Klarheit in die Abläufe bringen kann.

Sollte es dazu Fragen aus der Community geben, bin ich gerne bereit, sie zu beantworten.

Ich entschuldige mich schon jetzt, sollten mir Nachrichten entgehen, in denen ich angesprochen bin. Es ist nicht meine Absicht, jemanden zu übersehen. Worauf ich jedoch nicht reagieren werde: Unterstellungen, Suggestivfragen und schlichtes Gaslighting, das leider auf dieser Liste auch vorkommt.

Vorgeschichte

Holm sagt, er habe den Wissenschaftsrat nach dem Ausschluss XXXs aus den WR-Sitzungen über seine Einschätzung in Kenntnis gesetzt, dass dieser Ausschluss satzungswidrig ist. Ich habe diese Einschätzung übermittelt. Er hat das spätestens in der WR-Sitzung im August 23, bei der er selbst zu Gast war, auch selbst so vertreten. Soweit ist das korrekt.

Der Ausschluss erfolgte mit zwei Gegenstimmen. XXX stimmte dagegen. Ich selbst auch. Ich konnte zwar die Motivation des Antrags, den Christoph Bördlein gestellt hatte, nachvollziehen, favorisierte aber ein anderes Modell für die weitere Zusammenarbeit, das m.E. allen legitimen Interessen in ausreichendem Umfang Rechnung getragen hätte (siehe meine Darstellung unterhalb dieser E-Mail). Ich wurde in dieser Frage überstimmt. Deswegen kann ich sagen, dass ich in diesem Punkt in gewisser Weise näher an Holms Position war als an der Mehrheit meiner WR-Kollegen – wenn auch aus anderen Gründen.

Was die mögliche Satzungswidrigkeit des Ausschlusses angeht, hatte ich als Nicht-Jurist keine Meinung, sondern habe Holms Sicht neutral zur Kenntnis genommen. Es war klar, dass der WR nicht rechtswidrig agieren will. Rainer Rosenzweig nahm diesen Punkt (genau wie die anderen Kollegen) ernst und befragte daraufhin eine Anwältin für Vereins- und Verbandsrecht. Sie prüfte auch die Regelungen, die wir in der Geschäftsordnung niedergelegt haben und befand, dass diese grundsätzlich nicht zu beanstanden seien. Darauf stützte sich der WR. Ich hätte, wie gesagt, ein anderes Modell favorisiert. Aber zumindest schien mir das Prozedere, für das sich der WR mehrheitlich entschieden hatte, nicht rechtswidrig.

Holm hatte bis zur Vorlage des kürzlich beauftragten Gutachtens meiner Erinnerung nach nie Sachgründe angeführt, sondern lediglich Autoritätsargumente verwendet („Alle Juristen, die ich gefragt habe, sagen …“). Wer Holms Äußerungen im Vorfeld der MV 23 und danach mitverfolgt hat, wird verstehen, dass der WR sich darauf nicht blind verlassen hat. Das ist der Preis strategischer Kommunikation. Wenn man damit erst einmal angefangen hat, sinkt naturgemäß das Vertrauen, das Andere einem entgegenbringen.

Beauftragung des Gutachtens bei der Kanzlei FZF (durch Vorstandsbeschluss vom 04.01.2024)

Die einvernehmliche Beauftragung einer neutralen Stelle zur Aufklärung der Rechtslage hätte ein Schritt in die richtige Richtung sein können. Etwas in dieser Art schwebte wohl André vor, der das vorschlug. Ich hatte auch Sympathien für den Gedanken, hier noch einmal Rat einzuholen, auch weil ich, wie gesagt, selbst daran zweifelte, welche Vorgehensweise die vernünftigste ist.

Allerdings ist aus meiner Sicht bei der Beauftragung der Kanzlei FZF einiges schief gegangen – zumindest wenn man unterstellt, dass Fortschritt in der Sache und Lösungsansätze für die Konfliktschlichtung das Ziel waren.

Was Holm bisher gesagt hat, muss man meines Erachtens einordnen.

Anmerkung 1: Die Beauftragung des Gutachtens im Vorstand war nicht einvernehmlich.

Holm sagt, der Beschluss, die Kanzlei zu beauftragen, erfolgte im Vorstand einstimmig. Das trifft zu, ist aber nur die halbe Wahrheit. Am 04.01.2024 wurde das zwar so beschlossen. Aber das bedeutet nicht, dass der Vorstand es einhellig für eine gute Idee hielt, die Kanzlei zu beauftragen. Diesen Eindruck erzeugt Holm aber.

Zur Einordnung muss man wissen, wie der Vorstand unter Holm arbeitet: Holm kann sich in jeder Frage durchsetzen, weil er eine Vorstandsmehrheit – bestehend aus: Claudia Preis, Ralf Neugebauer, Jochen Blom und Annika Harrison – hinter sich hat, die immer gleich abstimmt. Es gab noch nie eine Diskussion, bei der ein Mitglied von Holms Team nicht im Block mit ihm abgestimmt hätte. Hinzu kommt, dass gar nicht offen (und schon gar nicht ergebnisoffen) diskutiert wird. Vor Sitzungen werden lediglich kryptische Tagesordnungspunkte verschickt. Aus dem Sitzungsverlauf wird erkennbar, dass es bereits vorab abgestimmte Beschlussanträge gibt, die dann durchgedrückt werden. (Inhaltliche Diskussionen werden gerne mal durch Beschlussanträge zur Tagesordnung beendet, also indem beantragt wird, dass sie abgebrochen werden, um sofort zur Abstimmung zu kommen.) In seiner E-Mail vom 11.06.2023 an die Mitgliederliste suggerierte Holm noch, es sei ihm wichtig, im Vorstand Entscheidungen zu treffen „ohne dass jemand per Mehrheitsentscheidung überstimmt werden“ muss. Mein Eindruck ist: Holm hat dafür eine schwache Präferenz. Es wirkt für ihn in der Außendarstellung günstiger, wenn er sagen kann, der Vorstand habe einen Beschluss einstimmig gefällt. Gleichzeitig will Holm jedoch in der Regel kaum Kompromisse in der Sache eingehen. Und wenn beides nicht geht, gibt es eben Beschlüsse ohne Kompromisse. Diese Linie lässt sich aus meiner Sicht spätestens seit Oktober 2023 klar erkennen.

Für André, Rouven und mich bedeutet dies, dass wir im Vorstand keinerlei Einfluss haben (außer es geht um vergleichsweise profane Fragen bzgl. administrativer Angelegenheiten, EDV etc., wo immer noch alle an einem Strang ziehen). Wir können lediglich Punkte zu bedenken geben und darauf bestehen, dass diese ins Protokoll aufgenommen werden, damit zumindest ersichtlich wird, wie Beschlüsse zustande kamen und welche Argumente auf dem Tisch lagen (wobei auch das nicht funktioniert, wenn Diskussionen durch Anträge zur Tagesordnung abgebrochen werden). Um wenigstens den Eindruck zu erzeugen, es ginge konsensual zu, gibt es regelmäßig vermeintliche Kompromissangebote. Als kritische Denker wissen wir natürlich, dass man alles als Kompromiss darstellen kann. Wenn A zu B sagt „gib mir 200 Euro!” und B sagt “Nein!”, dann kann A das vermeintliche Kompromissangebot unterbreiten: „Okay. Dann gib mir eben 100 Euro!”

Exkurs (SkepKon): Hinsichtlich der Streichung der SkepKon-Vorträge von Till Randolf Amelung und Cornelius Courts gab es genau so ein vermeintliches Kompromiss-Angebot. Holm verlangte die Streichung beider Vorträge. Claudia machte dann den Vorschlag: „Ihr einen, wir einen“. Mit anderen Worten: Wenn wir zustimmen, dass Tills Vortrag gestrichen wird, dann streicht man Cornelius Vortrag nicht. André, Rouven und ich standen damit vor der Wahl, die inhaltlich ungerechtfertigte Streichung eines SkepKon-Vortrags mitzuvertreten um Schlimmeres zu verhindern, oder dies eben nicht zu tun. Hier gewann das Prinzip, und so muss Holm nun die Streichung von zwei Vorträgen vertreten, ohne dass bei einem dieser Vorträge (Cornelius) auch nur ein Sachgrund genannt wurde.

In Sachen Rechtsgutachten lief es ähnlich: André, Rouven und ich hatten keine Möglichkeit, die Beauftragung des Gutachtens zu verhindern. In der Sache zeichnete sich kein Kompromiss ab. Holm hatte sich bereits auf die Kanzlei FZF festgelegt, zu der vorab Kontakte durch YYY bestanden. Jeder Hinweis auf mögliche Probleme wurde dabei ignoriert. Es war klar: Es wird ein Auftrag ergehen, ob wir (André, Rouven und ich) das mittragen oder nicht. Fraglich war nur, wie beauftragt wird. Ich hatte den Eindruck, dass es ggfs. noch möglich sein könnte, ein konsensuales Briefing bei dem der WR eingebunden würde, zu verhandeln – im Gegenzug für eine einstimmige Entscheidung. Das war wohlgemerkt, nachdem klar war, dass die Kanzlei so oder so beauftragt wird. YYY schrieb mir dazu in einer E-Mail vom 28.12.2023 Folgendes:

Es geht nicht mehr darum _ob_ eine Anfrage an die Kanzlei gestellt wird. Es gab auf der ML den Wunsch nach einer juristischen Beurteilung der WR-Situation, und die werden wir auf jeden Fall einholen.

Auch über die Frage, ob diese Kanzlei oder eine andere beauftragt werden könnte, konnte man also nicht mehr sprechen. Das war fix. Unerheblich war zudem, dass bereits eine juristische Einschätzung vorlag.

Am 04.01.2024 stimmte ich also dem Antrag zu. Im Protokoll der Sitzung ist allerdings vermerkt:

NM sagt, es würde als weiterer Angriff auf den WR gewertet, wenn dieser nicht eingebunden würde [gemeint ist hier das Briefing der Kanzlei].

Das führt mich zu Anmerkung 2.

Anmerkung 2: Die Beauftragung und das Briefing erfolgte nicht einvernehmlich mit dem Wissenschaftsrat.

Holm sagt, die Beauftragung der Kanzlei sei einvernehmlich zwischen Vorstand und WR erfolgt. Dass man Einstimmigkeit im Vorstand nicht mit Einvernehmlichkeit verwechseln sollte, habe ich bereits erklärt. Wie ist das aber mit Blick auf den WR zu sehen? Und wie kam es zu dem Briefing?

Ich hatte schon in der Vorstandssitzung im Dezember gesagt, dass es meines Erachtens zur Bewertung des Ausschlusses von XXX aus den Sitzungen des WRs einer genauen Betrachtung der Details des Falls bedarf und keiner rein grundsätzlichen Einschätzung. Das hat YYY beim Verfassen der Fragen für die Kanzlei, die er mir am 23.12.2023 übermittelte, komplett außer Acht gelassen. Ich meldete ihm deswegen am 28.12.2023 zurück:

Angesichts der hohen Kosten, die eine rechtliche Prüfung mit sich bringt, solltest Du die Beantwortung dieser Fragen m.E. noch nicht beauftragen. Die Formulierungen scheinen mir nicht geeignet, Klärung herbeizuführen. Man müsste den Sachverhalt (insbesondere bei der dritten Frage) noch weiter erläutern.

Zudem sagte ich:

Bis auf Weiteres werde ich keine Rückmeldung des WR dazu einholen können. Das geht frühestens wieder ab der 2. Januarwoche. Ich würde vorschlagen, dass wir dann noch einmal Kontakt aufnehmen.

Trotzdem schickte YYY dann am Samstagnachmittag, dem 06.01.2024, eine weitere E-Mail, die eine neue Formulierung enthielt. Diese schien mir ebenfalls ungeeignet, was ich allerdings erst feststellen konnte, als die Beauftragung der Kanzlei schon stattgefunden hatte. YYY verlangte nämlich Rückmeldung bis Ende der Woche. Die Frist betrug also wenig mehr als einen Tag – und das an einem Wochenende nach der Weihnachtspause.

Mir scheint: Wer einem mehr als zehnköpfigen, ehrenamtlichen Gremium an einem Samstagnachmittag nach der Weihnachtspause eine Antwortfrist von etwas mehr als 24 Stunden setzt, wer zudem bereits darauf hingewiesen wurde, dass diejenigen, von denen eine Rückmeldung erbeten wird, zu diesem Zeitpunkt gar nicht ansprechbar sind und wer keinen sachlich erkennbaren Grund für maximale Eile nennen kann, dem geht es vielleicht nicht wirklich darum, einen Konsens zu erzielen. Aber das ist nur mein Eindruck …

Anmerkung 3: Das Briefing wurde, anders als von Holm behauptet, nicht auf Wunsch des Wissenschaftsrat hin angepasst.

Wie gesagt: Der WR hat die Fragen für das Briefing gar nicht gesehen und konnte darüber entsprechend auch nicht diskutieren. Nur ich habe meine Einschätzung geäußert und zwar explizit nicht stellvertretend für den WR, sondern als persönliche Einschätzung dessen, was der WR ggfs. dazu sagen könnte. Und mein Urteil hinsichtlich der Beauftragung der Kanzlei war nicht gerade positiv, wie jeder sehen kann, der die Protokolle der entsprechenden Sitzung liest. Zudem wurden, wie ich gerade geschildert habe, nicht einmal auf meine Rückmeldung hin hinreichende Anpassungen vorgenommen.

Anmerkung 4: Das Rechtsgutachten der Kanzlei FZF beruht auf Missverständnissen und einem schlechten Briefing.

Der Kernpunkt des Streits zwischen Vorstand und WR liegt darin, ob XXX sich fehlverhalten hat, als sie selbst angefertigte Wortprotokolle aus WR-Sitzungen auf der MV verlesen hat. Diese haben – nicht nur meines Erachtens – einen völlig falschen Eindruck erzeugt. Im Gutachten hätte, damit es irgendeinen Nutzen ergibt, bewertet werden müssen, ob es zulässig bzw. aus Sicht des WR hinzunehmen war, dass XXX sich so verhält – und zwar ohne irgendeine vorherige Abstimmung.

Eine Passage aus dem Gutachten ist vor diesem Hintergrund interessant. Dort steht:

Wie bereits oben ausgeführt, geht es nicht um das Informationsbedürfnis eines einzelnen Mitgliedes, sondern um das Recht der Mitgliederversammlung über für den Verein bedeutsame Vorgänge informiert zu werden. Dieses Recht kann sie nur auf der Mitgliederversammlung ausüben. Soweit dies im zulässigen Umfang eingefordert wird, müssen die Organe des Vereins, sei es der Vorstand oder der Wissenschaftsrat Rede und Antwort stehen. Allerdings wird im Regelfall nur ein Recht auf die konzertierte Antwort des Organs „Wissenschaftsrat“ bzw. „Vorstand“ bestehen, nicht aber auf die Ansicht eines einzelnen Mitgliedes.

Inwieweit ein einzelnes Organmitglied berechtigt ist, Inhalte, die dem Beratungsgeheimnis unterliegen, auf der Mitgliederversammlung preiszugeben, kann nur im Einzelfall geprüft werden und entzieht sich einer abstrakten Beurteilung. Dass die Mitgliederversammlung ihrerseits nicht öffentlich ist, ist ein Gesichtspunkt, der dabei zu berücksichtigen ist. Es ist daher sehr wohl denkbar, dass ein Organmitglied aufgrund der Abwägung aller Umstände eines Einzelfalls berechtigt, wenn nicht gar notwendig ist, dass einzelne Mitglieder ihr Sondervotum in der Mitgliederversammlung abgeben dürfen und müssen. (Fettung hinzugefügt)

(Man sieht hier übrigens ein weiteres Problem: Das Gutachten scheint mir für den Laiengebrauch ungeeignet, weil vermeintliche Erkenntnisse unverständlich und unsauber formuliert sind. Der letzte Satz scheint mir nicht einmal grammatisch korrekt zu sein. Ich lese das wie folgt: „Es könnte sein, dass ein Organmitglied im Einzelfall berechtigt ist, ihr Sondervotum auf der MV abzugeben. Es könnte sogar sein, dass es nicht nur das Recht dazu hat, sondern dies sogar tun sollte.“ Für die apriorische Einsicht, dass logisch denkbare Sachverhalte möglich und ggfs. sogar notwendig sind, muss ich allerdings kein Rechtsgutachten in Auftrag geben. Sowas entnehme ich meinem modallogischen Grundverständnis. Man hätte hier auch schreiben können: „Was sich nicht ausschließen lässt, kann nicht ausgeschlossen werden.“ Das wäre ähnlich informativ gewesen, aber zumindest verständlicher.)

Festzuhalten ist auf Basis des Gutachtens jedenfalls:

  1. Die MV hat Anspruch darauf, dass der WR Rede und Antwort steht.
  2. In der Regel sollte es eine abgestimmte Antwort geben, die für den WR repräsentativ ist.
  3. Wenn Organmitglieder abweichende Einschätzungen vortragen wollen, dann kann das okay sein.
  4. Ob die Bedingungen für 3 auf der MV 23 vorlagen, wurde gar nicht eruiert.

Die Feststellungen 1–3 werden vom WR überhaupt nicht bestritten. Und 4 ist eine Nicht-Feststellung, die zudem für den Streitfall irrelevant ist. Denn ich bezweifle, dass irgendeiner der Kollegen im WR ein Problem damit gehabt hätte, wenn XXX eine vorab angekündigte und organisatorisch abgestimmte abweichende Einschätzung vorgetragen hätte. Das hätte man einbauen können, unter Umständen sogar innerhalb des WR-Berichts selbst. Was sie aber getan hat, war etwas ganz anderes: Sie hat vermeintliche Wortlaute aus WR-Sitzungen vorgelesen, daraus m.E. komplett abwegige Thesen über die Arbeitsweise des WR abgeleitet und diese dann als Tatsachen hingestellt. Dies war von niemandem auf der MV erbeten worden, XXX hatte das nicht angekündigt und der WR hatte keinerlei Möglichkeit zu antworten. Wenn ich das Gutachten richtig verstehe, ist bereits zweifelhaft, wenn auch nicht undenkbar, dass XXX überhaupt ihre Sicht hätte vortragen dürfen. Was dem Anwalt von FZF jedoch nicht klar gewesen sein dürfte, war, was wirklich passiert ist. Und das – darauf hatte ich in den Vorstandssitzungen mehrfach hingewiesen – hätte man eben explizit erwähnen müssen. Stattdessen wurde der Kanzlei beim Briefing offenbar jede kritische Info bzgl. XXXs Verhalten vorenthalten – ganz offensichtlich, damit man eine Antwort bekommt, die Holms und XXXs Sicht stützt. Und nicht einmal die hat es eindeutig gegeben.

Anmerkung 5: Für die Verausgabung von Kosten i.H.v. fast 2.000 Euro gab es keinen Vorstandsbeschluss.

Als Holm seine Idee, die Kanzlei FZF zu beauftragen, in den Raum stellte, sprachen André, Rouven und ich sofort die Kostenfrage an. Holm sagte, die Kosten lägen brutto bei unter 800 Euro (310 Euro pro Stunde für zwei Stunden plus Mehrwertsteuer). In der E-Mail, die YYY mir am 28.12.2023 schrieb, war sogar nur von 600 Euro die Rede. Die Zustimmung von André, Rouven und mir erfolgte auf Grundlage dieser Veranschlagung der Kosten und der Erwartung eines konsensualen Briefings. Ich hätte einer Beauftragung zum Kostenpunkt 2.000 Euro und ohne gemeinsames Briefing durch den WR nie und nimmer zugestimmt. Ich bin mir sicher, das gilt auch für André und Rouven.

Anmerkung 6: Der WR stützte sich auf die Einschätzung einer Anwältin mit Tätigkeitsschwerpunkt im Vereins- und Verbandsrecht.

Rainer Rosenzweig und ich sprachen mit einer Anwältin, die Vereins- und Verbandsrecht als einen ihrer Tätigkeitsschwerpunkte angibt, über diverse Fragen, die nicht nur, aber auch den Ausschluss von XXX aus den Sitzungen des WR und die WR-Geschäftsordnung betrafen. Hier ging es dezidiert nicht darum, ein formelles Gutachten zu erstellen, sondern eine Einschätzung der Sachlage zu erhalten, Optionen auszuloten und die Rechtslage aufzuklären – und zwar in einem bilateralen Gespräch, in dem (anders als im Fall des FZF Gutachtens) Fragen und Nachfragen möglich waren. Die Informationen, die unserer Anwältin vorlagen, waren erkennbar andere als im Fall des FZF Gutachtens. Sie fragte an vielen Stellen nach, um die Lage genau zu verstehen, was im Fall des FZF Gutachtens eben nicht erfolgte.

Im Rückblick scheint mir aufgrund des Umgangs mit dem FZF Gutachten in der Vereinsöffentlichkeit offensichtlich, dass dieses eigentlich nur einen Zweck hatte, nämlich es gegen interne Kritiker und insbesondere den Wissenschaftsrat als rhetorische Waffe und Wahlkampfmittel einzusetzen. Die Parallelen zum Begriff „Lawfare“ (use of law as a weapon of “warfare”) liegen für mich jedenfalls auf der Hand, zumal das Gutachten in keiner Weise klärt, wie wir mit der Substanz des Konfliktes weiterkommen könnten. Obwohl es kein amtlicher Richterspruch ist, urteilt es den Fall lediglich ab (dies weitgehend ohne Nennung von Rechtsquellen) und ignoriert dabei die ursprüngliche Intention des WR und die über Jahre hinweg etablierte Praxis, ihn als unabhängiges Gremium anzuerkennen, das sich innerhalb wie außerhalb des Vereins kritisch äußern kann. Holms Äußerungen in der WR-Sitzung im August 2023 legen für mich nahe, dass er sich einen linientreuen, handzahmen WR wünscht, dem er prinzipiell sogar vorschreiben kann, worüber in Sitzungen zu reden ist (siehe Protokoll der Sitzung vom August 2023).

Im Zuge voller Transparenz möchte ich klarstellen, dass ich als Angestellter, Vorstandsmitglied und WR-Mitglied unterschiedliche Rollen einnehme, die unterschiedliche Rechte und Pflichten mit sich bringen. Hier habe ich mich besonders in meiner Rolle als Vorstands- und WR-Mitglied geäußert. Zur persönlichen Situation möchte ich anmerken, dass ich seit Juli 2023 eine 50% Mitarbeiterstelle bei der GWUP habe und die Nachfolge von Martin Mahner antreten soll. Ich habe derzeit keinen Kündigungsschutz, was bedeutet, dass ich jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann und damit auch immer rechnen muss, sofern ich mich kritisch äußere. Dennoch war es mir wichtig, zumindest zu versuchen, einen Beitrag zur Versachlichung zu leisten, auch wenn mir klar ist, dass meine Wahrnehmungen des nicht gelösten Konflikts sowie des Austausches darüber selbstverständlich subjektiv sind. Ich möchte aber in einem Umfeld arbeiten, in dem ich mich sachlich äußern kann, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen. Dafür stand die GWUP bisher immer und hoffentlich auch zukünftig.

Beste Grüße
Nikil

Anlage: Ein alternatives Modell für den Umgang mit dem Konflikt zw. den Mitgliedern des WR und XXX

Bei der Zusammenarbeit der Kollegen im WR und XXX liegen m.E. zwei Probleme vor:

  1. Das generelle Verhalten von XXX wird einhellig als hochproblematisch und äußerst unkollegial betrachtet. Als beispielhaft kann man die MV 23 ansehen, wo sie unabgestimmt agierte und WR-Kollegen basierend auf vermeintlichen Wortlautprotokollen scharf und persönlich angriff. Zudem kündigte sie an, jedem diese sogenannten Protokolle, von denen man annehmen musste, dass sie weitere möglicherweise verleumderische und unwahre Darstellungen enthalten könnten, zugänglich machen zu wollen. Es ist m.E. verständlich, dass Kollegen, die im Fall einer Meinungsverschiedenheit mit dieser Art von Verhalten rechnen müssen, keine Lust mehr haben, mit XXX zusammenzuarbeiten.
  2. Es gab spätestens seit einem Vorfall im Sommer 2022 erhebliche Bedenken daran, dass XXX sich an die Regeln zur Vertraulichkeit hält. Sie hatte, wie dies von mindestens einer Person berichtet wurde, den Entwurf eines WR-Schreibens, der explizit nicht weitergeleitet werden sollte, an Vorstandsmitglieder verschickt, die dies wiederum zum Anlass nahmen, um weitere Arbeiten an dem Papier zu torpedieren.

Der beschlossene Ausschluss von XXX aus den Sitzungen des WR löste – zumindest aus Sicht der WR-Kollegen – beide o.g. Probleme. Gleichwohl hätte ich es präferiert, wenn der WR stattdessen einen anderen Weg gewählt hätte, nämlich die Einstellung aller Sitzungen und die Umstellung der Beschlussfindungen auf Abstimmungen über die E-Mail-Liste (wie vor der Pandemie). Das hätte gewährleistet, dass die Kollegen, die mit XXX nicht mehr tagen wollten, dies nicht mehr gemusst hätten. Es hätte allerdings das Problem aufgeworfen, dass man auch auf der E-Mail-Liste keine offenen Diskussionen mehr hätte führen können. Jedes WR-Mitglied wäre weiterhin dem Risiko ausgesetzt gewesen, dass XXX einzelne Aussagen aus dem Zusammenhang reißt und dann öffentlich macht. Gleichwohl wäre dies aus meiner Sicht ein zumutbares Zugeständnis gewesen, das zumindest ich gerne auf mich genommen hätte.

Zusatzanmerkung: Das Gesagte soll nicht nahelegen, dass ich das gewählte Verfahren des WR als illegitim ansehe. Als Mitglied des WR stehe ich zu den Beschlüssen des Gremiums, auch wenn sie mir im Einzelfall nicht optimal gefallen. Das ist aus einer Sicht ein Erfordernis der Kollegialität. Abweichende Einschätzungen kann ich immer vortragen. Dies wurde mir aus dem Kollegenkreis noch nie verwehrt.