Judith Faessler
stellv. Vorsitzender

Kurzvita

1971 in Genf geboren, Kindergarten in Kalifornien, Schulzeit in Frankreich, Studium der Philosophie und Orientalistik (Geschichte) in München. Seit 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen Bereichen des Verfassungsschutzes (2002–2013: Islamismus, islamistischer Terrorismus, Prävention; seit 2013 Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus, Reichsbürger, verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit, verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates); diverse Zuständigkeiten: u.a. Gleichstellungsbeauftragte, Antisemitismusbeauftragte.

Skeptische Vita

  • Veröffentlichungen zu Verschwörungstheorien, zu Extremismus und Radikalisierung.
  • Jahrbuch Extremismus und Terrorismusforschung, Jahrbuch Extremismus und Demokratie, Jahrbuch für öffentliche Sicherheit (JBÖS 2020/2021 mit Ahmad Mansour), Publikation „Nachrichtendienstpsychologie“, Zeitschrift Totalitarismus und Demokratie, Co-Autorin des Buches „Verschwörungstheorien als Waffe“ (2023).
  • Regelmäßige Workshops zu kritischem Denken und Argumentationstaktiken von Extremisten.
  • 2023 in die GWUP eingetreten.

Mit welcher Motivation und welchen Erwartungen bist Du in die GWUP eingetreten?

Ich wollte skeptische Gleichgesinnte finden, die wie ich kritisches Denken und Rationalität für wichtig erachten. Der Gedanke, wissenschaftliche Methoden nüchtern, unparteiisch und neutral einzusetzen – und zwar auch dort, wo die Ergebnisse leider nicht allen gefallen – faszinierte mich. Die GWUP basiert genau darauf. Deswegen wollte ich ein Teil davon sein. Außerdem freue ich mich, andere Menschen kennenzulernen, die sich mit spannenden Fragen befassen und von denen ich lernen kann. Und nicht zuletzt folgte ich einigen Skeptikern schon länger und habe von ihrer Arbeit selbst profitiert. Mit ihnen wollte ich im selben Verein sein, um sie zu unterstützen, aber auch um Unterstützung bei eigenen Projekten zu erfahren.

Was bringst Du für Deine Rolle im Vorstand mit?

Meines Erachtens sollte der Vorstand nicht in erster Linie das Gesicht des Vereins sein, sondern den Mitgliedern eine Bühne bereitstellen, von der aus sie in die Gesellschaft hinein wirken können. In meiner Rolle als stellvertretende Vorsitzende möchte ich also besonders dazu beitragen, dass sich unsere Mitglieder ermutigt fühlen, sich gemäß ihren Interessen und Fähigkeiten in den Verein einzubringen. Ich glaube, ich besitze people skills, die etwas bewirken können. Denn mein gesamtes Berufsleben habe ich in Teams gearbeitet und in Gremien, Tagungen und Arbeitskreisen gewirkt. Erfahrungen im Konfliktmanagement und eine Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte kommen hinzu. Darüber hinaus würde ich mich freuen, wenn ich auch eigene inhaltliche Impulse setzen und Mitstreiter für eigene Ideen finden könnte. Ich stehe im Austausch mit Wissenschaftlern aus vielen Ländern und zu unterschiedlichen Themen. In Tunesien durfte ich junge Kandidatinnen für die Kommunalwahlen in kritischem Denken fortbilden, in Marokko bei einer Konferenz für Frauenrechte mitwirken, mit Historikern aus Nigeria und Togo tausche ich mich über die Werte der Aufklärung aus, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich würde mich freuen, wenn ich Mitglieder der GWUP auch für solche grenzüberschreitenden Projekte und für mehr Kosmopolitismus gewinnen könnte.

Wie beurteilst Du den aktuellen Konflikt?

Wir sollten Diversität als Stärke erkennen und sie auch weiter erhöhen. Dafür werde ich mich einsetzen, und dafür werde ich werben. Die GWUP will als gemeinnützige Organisation in die gesamte Gesellschaft hineinwirken: Dann sollten sich auch Vertreter der gesamten Gesellschaft bei uns wiederfinden. Wir brauchen alle soziokulturellen Milieus, verschiedene Fachdisziplinen, verschiedene Berufshintergründe und verschiedene Weltsichten. Allerdings – und das ist für die Konfliktprävention und -bewältigung wichtig – muss eine Einsicht uns alle verbinden: dass diese Unterschiede gewollt sind und nicht gleich gemacht werden müssen. Und dass man sich über Meinungsverschiedenheiten wechselseitig respektvoll und auf Augenhöhe begegnet.

Vor welchen Herausforderungen steht die GWUP?

Die Herausforderungen der modernen Zeit – Klimawandel, Energie, Gesundheit, Demographie etc. – rufen Ängste hervor. Dafür wünscht man sich schnelle, einfache Lösungen – ein Bedarf, für den Scharlatane und Betrüger bereitwillig Angebote schaffen. Dem gilt es sachlich und besonnen zu begegnen. Zum kritischen Denken gehört es, selbst nicht dem Zwang zur Vereindeutigung der Welt zu verfallen, sondern Unsicherheiten aushalten zu können. Das wird immer wichtiger, wenn wir uns mit neuen Fragen befassen, für die es noch keine Patentrezepte gibt. Die großen Irrationalismen der Zukunft werden nicht unbedingt „Homöopathie“ oder „Anthroposophie“ heißen. Und eventuell werden auch manche von uns ihnen zeitweise auf den Leim gehen. Dafür gilt es wachsam zu sein, intensiven Kontakt zur Wissenschaft zu pflegen, um so auch die neuen Parawissenschaften entzaubern zu können.