von André Sebastiani (29.04.2024)
Worum geht’s? (tl;dr)
Mir wird vorgeworfen, ich würde GWUP-Interna nach außen tragen. Hier erläutere ich, was ich genau getan habe und warum ich das für gerechtfertigt halte.
Hintergrund
Seit einigen Jahren schwelt in der GWUP ein Konflikt:
- Eine Gruppe (um den derzeitigen Vorsitzenden Holm Hümmler) will autoritär und über den Kopf der Mitglieder hinweg entscheiden, wer auf GWUP-Kanälen sprechen darf und wer nicht, zu welchen Themen und sogar mit welchem Vokabular.
- Eine andere Gruppe (der ich angehöre) will den Mitgliedern verschiedene Standpunkte anbieten, Diskussionen öffnen und alle zum Engagement ermutigen.
Bisher konnte sich nach meinem Eindruck im Konfliktfall immer die erste Gruppe durchsetzen.
Das Problem reicht weit zurück
Bereits 2016 wurde der SkepKon-Vortrag „Erkenntnisse und Irrtümer der Genderforschung“ der Philosophin Bettina Bussmann auf Betreiben zweier Vorstandsmitglieder nicht wie vorgesehen veröffentlicht. Die Begründung war dürftig, so berichtet es der langjährige GWUP-Vorsitzende Amardeo Sarma mit Verweis auf interne E-Mails auf der Mailingliste (vgl. das Gespräch im Podcast Vorpolitisch Sebastian Schnelle, in dem der ehemalige Vorsitzende Amardeo Sarma dies ausführt).
Ich habe den SkepKon-Vortrag damals live gehört. Mir gefiel der sachliche Stil. Die Argumentation schien mir bedenkenswert. Ich wollte gerne mehr erfahren …
Deswegen frage ich mich …
- War es seinerzeit nicht falsch, der Forderung, den Vortrag in den Giftschrank der GWUP wandern zu lassen, nachzugeben, ohne die Mitgliederschaft einzubinden?
- Wäre es nicht vielmehr richtig gewesen, diese Cancel-Forderung bereits damals im Verein breit zu diskutieren?
- Ist es, wenn dies damals nicht erfolgt ist, heute vertretbar, dass Amardeo Sarma diese interne Information veröffentlicht?
Ich antworte auf alle diese Frage mit einem klaren: ja!
Cancel-Forderungen hätte man nie stattgeben dürfen
Zumindest nicht ohne eine wasserdichte Begründung. Natürlich müssen wissenschaftlich dubiose Beiträge von GWUP-Kanälen ferngehalten werden. Doch die Hürde dafür muss hoch liegen. Im Fall von Bettina Bussmann geht es um eine amtliche Professorin für Philosophie, die über die wissenschaftstheoretischen Aspekte der Gender Studies forscht und publiziert. Die Behauptung, ihr Vortrag sei wissenschaftlich untragbar, trägt damit eine erhebliche Beweislast, die man transparent und gründlich erfüllen muss. Das hat niemand versucht. Stattdessen wurde der Referentin übel nachgeredet (Ralf Neugebauer bezeichnet ihren Vortrag immer noch als „unsäglich“), ohne geeignete Belege zu erbringen – und dies auch noch von Personen, die fachlich nicht qualifiziert sind, solche Urteile abzugeben.
Die Forderung, Themen und Personen zu canceln, hätte schon vor Jahren breit diskutiert werden müssen
Die Nicht-Veröffentlichung des Vortrags von Bettina Bussmann war schon im Jahr 2016 eine grobe Verletzung der wissenschaftlichen Spielregeln und unserer Vereinskultur. Aber das ist nicht das einzige Problem. Schwer wiegt auch, dass diejenigen, die dies bewirkt haben, im Verborgenen wirken konnten. Solche Hinterzimmer-Absprachen sind in einem wissenschaftlichen Verein ein Unding! Zumal die GWUP über ein Gremium verfügt, das gemäß Satzung die Qualität unserer wissenschaftlichen Arbeit kontrolliert: den Wissenschaftsrat. Dass unter anderem Stephanie Dreyfürst sich damals anmaßte, im Vorstand Druck auszuüben, um zu erreichen, dass andere Mitglieder einen Vortrag nicht hören dürfen, nur weil sie ihn offenbar ideologisch ablehnte, sollte uns alle empören.
Vergangene Fehler sollte man korrigieren, sobald man sie erkannt hat
Amardeo Sarma tut dies. Er hat erkannt, dass die Nicht-Veröffentlichung des Vortrags von Bettina Bussmann ein Fehler und der Prozess, der dazu führte, nicht in Ordnung war. Es ist richtig, dass er dies aufdeckt und klar benennt. Es ist auch richtig, dass er benennt, wer damals die Drahtzieher hinter der Entscheidung waren. Eigentlich sollten sich zumindest diejenigen, die sich heute um einen Sitz im Vorstand bewerben, zu diesen Vorgängen äußern und zumindest klarstellen, dass sie für eine Cancel-Agenda stehen. Da sie dies aber nicht tun und die Mitglieder es nicht anders erfahren können, muss Amardeo, der selbst dabei war, aufklären. Nur so können die GWUP-Mitglieder bei der Wahl am 11. Mai 2024 eine informierte Entscheidung treffen!
Nun zu mir …
Halten wir fest: Vereinsinterna zu veröffentlichen, kann vertretbar sein. Das gilt zumindest für Fälle wie den von Bettina Bussmann, bei denen Informationen von vornherein nicht unter Verschluss sein sollten. Wie sieht es aber in meinem Fall aus?
Was habe ich getan?
Ich habe auf Kanälen der SkepGes über Entscheidungen gesprochen, die im Vorstand der GWUP getroffen wurden. Konkret:
- Der Vorstand hat beschlossen, dass Stefan Kirsch von seinen Aufgaben als Social-Media-Manager entbunden wird und zudem aus der GWUP ausgeschlossen werden soll.
- Der Vorstand hat außerdem beschlossen, dass zwei SkepKon-Referenten, die im Rahmen eines vorab abgesprochenen, transparenten Verfahrens durch ein renommiertes Komittee ausgewählt wurden, bei der SkepKon nicht vortragen dürfen.
- Der Vorsitzende untersagt dem wichtigsten Kontrollgremium, dem Wissenschaftsrat, seit Mai 2023 mit den Mitgliedern zu kommunizieren.
- Der Vorstand verwendet Mittel des Vereins, um Rechtsgutachten zu beauftragen, die nicht der Befriedung dienen, sondern erkennbar den Zweck haben, sie gegen den Wissenschaftsrat als argumentative Waffe einzusetzen.
Bei allen diesen Entscheidungen handelt es sich um Skandale. Alle diese Entscheidungen wären jedoch von der Mitgliederschaft unbemerkt geblieben, wenn ich mit der SkepGes nicht einen alternativen Kommunikationsweg geschaffen hätte, der sie öffentlich macht.
Welcher Schaden und welcher Nutzen ist entstanden?
In der einschlägigen Literatur werden Fälle, bei denen interne Informationen aus Organisationen und Gremien veröffentlicht werden, im Detail besprochen (Ethik des Whistleblowing). Besonders wichtig sind zwei Aspekte. Der erste ist die Relation von Schaden und Nutzen.
Es ließe sich argumentieren, dass durch die Veröffentlichung der oben genannten Entscheidungen Schaden für die GWUP entstanden ist. Der Verein wirkt nach außen gespalten. Das vertreibt mögliche Neumitglieder und Kooperationspartner. Diskussionen im Vorstand werden weiter erschwert. All das ist unzweifelhaft.
Allerdings muss man hier die Reihenfolge betrachten: Der Veröffentlichung dieser Missstände gingen Entscheidungen des Vorstands voraus. Diese Entscheidungen sind der Skandal, dessen Veröffentlichung die GWUP in ein schlechtes Licht rückt. Sie hätten so nie getroffen werden dürfen. Die beschriebene Cancel Culture hätte es nie geben dürfen. Dass es all dies doch gab, geht darauf zurück, dass das Lager um den heutigen Vorsitzenden sie bewirkt hat. Den Reputationsschaden nun auf den Überbringer der Nachricht zu schieben, vernebelt den Blick auf die eigentlichen Schadensursachen. Man würde auch einen Klempner, der darauf hinweist, dass durch ein Rohr, das seine Firma verlegt hat, Wasser austritt und beginnt die Substanz des Hauses anzugreifen, nicht vorwerfen, dass er das Problem anspricht – auch wenn die Reputation seiner Firma leidet.
Überdies ist, da die Diskussion nun offen geführt werden kann, auch ein erheblicher Nutzen entstanden. Manche Mitglieder hatten die toxische Kultur, mit der unliebsame Themen, Personen und Thesen aus der GWUP herausgehalten wurden, bemerkt. Einige von ihnen haben genau deswegen ihre Mitgliedschaft beendet. Andere sind geblieben und empfinden es nun als fair, dass ihre Sicht der Dinge heute zumindest diskutierbar ist.
Nicht zuletzt müssen die Mitglieder bei der kommenden Vorstandswahl wissen, wofür die Vorstandsmitglieder stehen und wofür sie sich einsetzen werden. Zwischen dem von Team Hümmler verschickten Programm und dem Handeln im aktuellen Vorstand zeigen sich krasse Widersprüche. Da zentrale Personen und Kandidaten für den Vorsitz und den Vorstand bisher nicht ehrlich waren, erfahren die Mitglieder durch die Veröffentlichung interner Informationen, wofür sie wirklich stehen und können so eine informierte Entscheidung treffen.
Welche Alternativen hätte es gegeben?
Es gibt einen zweiten wichtigen Aspekt, den man berücksichtigen muss, um Fälle zu bewerten, bei denen Interna veröffentlicht werden – nämlich die Frage, ob es Alternativen zur Veröffentlichung der Informationen gab, also ob man auch anders hätte agieren können, um die entsprechenden Missstände zu beheben. Auch wenn ein erhebliches öffentliches Interesse an einer Veröffentlichung besteht, sind solche Alternativen immer zu prüfen. Man sollte sich beispielsweise immer zunächst bemühen, die Probleme intern zu beheben, indem man auf sie hinweist und sie in den vorgesehenen Gremien diskutiert. Das habe ich versucht.
Gemeinsam mit Rouven Schäfer und Nikil Mukerji habe ich mich deshalb im Vorstand für eine andere Führungskultur eingesetzt. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die autoritäre Linie von Holm Hümmler und seinem Unterstützerkreis der GWUP substantiell schadet. Von uns vorgeschlagene Handlungsalternativen wurden immer per Mehrheitsbeschluss zurückgewiesen. Alternativ hätten wir uns nur noch der Vorstandsmehrheit beugen und den Schaden für die GWUP in Kauf nehmen können. In gesunden Vereinsstrukturen hätte man dann immerhin darauf hoffen können, dass die Mitgliederversammlung die Fehlentwicklungen bei nächster Gelegenheit korrigiert. In der GWUP konnten Mitglieder aber nicht informiert über das Handeln des Vorstands urteilen, weil es dafür an der Transparenz mangelte, die wir mit den Veröffentlichungen nun hergestellt haben.
Um es noch einmal klarzustellen: Das Problem liegt nicht per se darin, dass im Vorstand bestimmte Entscheidungen getroffenen wurden. Hätte man diese Entscheidungen und die entsprechenden Beweggründe transparent gemacht, dann wäre es den Mitgliedern möglich gewesen, darüber zu diskutieren, und innerhalb des gesamten Vereins wäre eine kollektive Willensbildung möglich gewesen. Genau das versuchte die Vorstandsmehrheit um Holm Hümmler aber zu unterbinden. Und genau diese Strategie galt es aufzubrechen, damit unser Verein entscheiden kann, ob dieser Vorstand mehrheitlich seine Interessen vertritt.
Wozu brauchte es das Informationsnetzwerk Skeptische Gesellschaft?
Mir wurde mit der Gründung des Informationsnetzwerks Skeptische Gesellschaft (SkepGes) vorgeworfen, eine Spaltung des Vereins vorzubereiten. Das ist falsch. Amardeo Sarma und ich haben die SkepGes nicht gegründet, um den Verein zu spalten oder Informationen zu leaken, sondern um Themen mit gesellschaftlicher Relevanz skeptisch zu diskutieren. Themen, die unter dem Dach der GWUP durch Holm Hümmler und sein Team systematisch bekämpft werden. Über 70 Mitglieder der GWUP schätzen dieses Angebot und unterstützen es mit ihrer Unterschrift. Sie finden: Die SkepGes sollte ein Teil der GWUP sein!
Wir haben die internen Informationen aus der GWUP über die Kanäle der SkepGes öffentlich verbreitet, weil wir über die vereinsinternen Kanäle, die Mitglieder-Mailingliste oder das Skeptische Netzwerk nur einen Bruchteil unserer Mitgliederschaft erreichen können. Immer wieder melden sich bei uns Mitglieder, die erst durch die öffentlichen Kanäle auf die Vorgänge innerhalb der GWUP aufmerksam wurden.
Kübelweise Hass?
Holm Hümmler sagte bei einer öffentlichen Videokonferenz („Town Hall“, 23.04.2023), unsere Aktivitäten bestünden darin, „die ganze Zeit Hass auf den Vorstand auszukübeln“. Hass ist ein starkes Wort und Holm Hümmler wird seine Aussage nicht belegen können, weil sie unwahr ist. Sie dient einzig dem Zweck, die SkepGes, ihre Unterstützer und mich zu diffamieren.
In solchen Äußerungen liegt gerade ein Teil des Problems. Als ich bei der Mitgliederversammlung im Mai 2023 für den Vorstand kandidierte, habe ich versprochen, mich für einen Interessenausgleich einzusetzen. Dieser ist gescheitert, weil die Gruppe um Holm Hümmler sich mit Blick auf die entscheidende Streitfrage – die Frage der ideologisch motivierten Zensur in der GWUP – keinen Millimeter bewegt hat und nicht von ihrer autoritären Linie abgewichen ist.
Die Zweifler an meiner Darstellung möchte ich fragen: Warum hätten Rouven Schäfer, Nikil Mukerji und ich Möglichkeiten ungenutzt lassen sollen, eine Basis für die Zusammenarbeit im Vorstand zu schaffen, wenn es diese gegeben hätte? Und: Ist es plausibel anzunehmen, dass sich meine Persönlichkeit in wenigen Monaten komplett geändert hat? Ist es denkbar, dass aus mir, der bisher im Ruf stand, für Ausgleich und Rücksicht zu stehen und der genau dafür bei der letzten Vorstandswahl antrat, jemand völlig anderes geworden ist? Jemand, dem es einfach nur darum geht, Hass über einen Vorstand auszukübeln, welcher eigentlich ethisch einwandfrei arbeitet?
Auf Twitter/X schrieb ich kurz nach der Wahl, angetreten zu sein, um Schlimmeres zu verhindern. Das habe ich versucht, indem ich Transparenz hergestellt habe. Jeder darf sich nun überlegen, warum Holm Hümmler und seine Unterstützer diese Transparenz nicht wollten. Am 11. Mai 2024 können unsere Mitglieder bei der Mitgliederversammlung in Augsburg eine informierte Entscheidung treffen, wer in Zukunft die GWUP führen soll.
Und: Sollte mein Team gewinnen, wird in Zukunft keine Notwendigkeit mehr bestehen, Interna zu veröffentlichen, weil wir von Anfang an transparent handeln werden.