von Prof. Dr. Edzard Ernst (07.01.2024)
Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal eingeladen wurde, vor einer Gruppe von Skeptikern einen Vortrag zu halten, begann ich meinen Beitrag mit der Feststellung: „Ich bin sehr skeptisch – so sehr, dass ich sogar den Skeptikern gegenüber skeptisch bin“. Nun scheint es, als würden meine Worte eine neue Bedeutung bekommen.
Seit einigen Jahren bin ich Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der deutschen Skeptikerorganisation GWUP und beobachte mit zunehmender Verwunderung, was mit dieser ehemals gefestigten Organisation geschieht.
Für mich basiert der Skeptizismus auf mindestens drei Elementen:
– freiem Denken,
– offenem Diskurs,
– und dem Streben nach der Wahrheit durch kritische Beurteilung.
Die Führung der GWUP, so scheinen die jüngsten Entwicklungen zu zeigen, hat diese Elemente aus den Augen verloren. Dies geschah nach der Wahl des neuen Vorstands der GWUP im Mai 2023. In der Folge wich der offene Gedankenaustausch einer Atmosphäre, in der abweichende Meinungen abgelehnt oder im Keim erstickt werden. Beispiele für dieses Phänomen, insbesondere von Hümmler, dem neu gewählten Vorsitzenden, werden immer deutlicher.
Der Vorfall um den deutschen Philosophen Andreas Edmüller mag hier als Beispiel dienen. Sein Vortrag vor einer GWUP-Regionalgruppe zum Thema „Das WOKE-Phänomen – ein Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung?“ wurde schon vor seiner Rede mit Häme bedacht. Eine Person nannte Edmüller sogar ein „Arschloch“. Anstatt sich bei Edmüller für die unangemessenen Beschimpfungen zu entschuldigen, zog es Hümmler vor, ihn über politisch korrekte Sprache zu belehren und ihn zu beschuldigen, alt-right-Parolen zu verbreiten.
Ein weiteres Beispiel ist der Fall von Stefan Kirsch, einem langjährigen Mitglied der GWUP. Er wurde von Hümmler aus seiner Rolle als Kommunikationsmanager entlassen. Und warum? Weil er Edmüllers Präsentation auf X (früher Twitter) geteilt hat.
Zu allem Überfluss soll sich Hümmler auch noch in die Entscheidungen des Organisationskomitees für die kommende Skepkon-Konferenz im Mai 2024 eingemischt haben. Er soll darauf bestanden haben, Präsentationen von einigen GWUP-Mitgliedern zu entfernen, die sich kritisch über seine Führung geäußert hatten. Darüber hinaus verweigerte Hümmler dem wissenschaftlichen Komitee der GWUP wiederholt die Weitergabe von Material an die Mitglieder der GWUP.
Bis jetzt habe ich dieses peinliche Spektakel von der Seitenlinie aus beobachtet und mich bewusst aus allen Streitigkeiten herausgehalten. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass gerade Skeptiker unsere gute Sache nicht gefährden dürfen, indem sie sich wie Kinder auf einem Egotrip verhalten. Wir laufen Gefahr, uns zum Gespött unserer Gegner zu machen!
Ich für meinen Teil bin zunehmend skeptisch gegenüber der GWUP und ihrer Zukunft geworden – so sehr, dass ich jetzt ernsthaft über meine Mitgliedschaft in dieser Organisation nachdenke. Wenn sich dieses peinlich kontraproduktive Verhalten nach der Jahrestagung im Mai dieses Jahres nicht erkennbar ändert, werde ich (und wahrscheinlich viele andere deutsche Skeptiker) die Trümmer dieser Organisation schlichtweg hinter mir lassen.